Wenn es nicht mehr weitergeht! Von Zero starten!

29.07.2020 CJD Ingelheim « zur Übersicht

Sein Heimatland zu verlassen ist keine leichte Entscheidung. Lange hatte die syrische Familie nebst Kindern versucht, in der Türkei vorübergehend abzuwarten, ob sich die Situation in der Heimat verbessert. In Syrien hatten Aliaa und Hassan ein gutes Leben im eigenen Haus gehabt, Hassan war Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei, Aliaa gelernte Zahntechnikerin, die ihren Beruf liebte. Doch dann: Korruption, Angst, Krieg, zerstörtes Haus. Was tun, wenn neben einem vierjährigen Mädchen eine Frau erschossen wird und das kleine Kind einen Schock erlebt, der jetzt Gott sei Dank psychotherapeutisch aufgearbeitet wird?

Hassan wirkte gebrochen und niedergeschlagen, als er seine Frau zum Projekt BIFF im CJD Ingelheim begleitete. BIFF – Berufliche Integration von Frauen Fördern Mainz-Bingen – wird durch das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie durch das Jobcenter der Kreisverwaltung Mainz-Bingen gefördert. Ziel ist die Verbesserung der Integrationschancen am ersten Arbeitsmarkt. Aliaa ist in Deutschland die Heldin des Alltags und managt alles: Kinder, Haushalt, Schulentscheidungen, Behördengänge. Die älteste Tochter ist schwer krank und muss oft in die Klinik. Behutsam und zielstrebig arbeitete BIFF-Coach Petra Nießen daran, Mut und Hoffnung aufzubauen. Das gewünschte Praktikum im Dentallabor war erfolgreich, die Gleichwertigkeitsfeststellung für Anerkennung ihres Berufsabschlusses ist beantragt und nun wartet Aliaa nur noch auf die Anerkennung. Zum 54. Geburtstag des Ehemanns gab es ein tolles Geschenk: Hassan erhielt einen Arbeitsvertrag als Fahrer und Alltagsbegleiter bei „Lebenslagen“ Budenheim, einem Unternehmen, das von der ehemaligen Familienministerin Irene Alt gegründet wurde, um Menschen in besonderen Lebenslagen zu unterstützen. Aliaa kann dort ein Praktikum machen, um die Wartezeit bis zur Anerkennung ihres Berufsabschlusses sinnvoll zu nutzen. Das Paar ist glücklich, freut sich und ist dankbar. Sie wollen eine gute Zukunft für sich und die Kinder aufbauen und hoffen, dass am Ende doch alles gut wird – zumindest besser!

Auch Irina hat vom Coaching in BIFF profitiert. Sie lebte in Turkmenistan, der Mann hatte eine außereheliche Beziehung, Eltern und Bruder leben schon lange in Deutschland, die Tochter hat in Heidelberg studiert und hat eine unbefristete Stelle im Bereich Nachhaltigkeit, Ökologie. „Ist es das was ich will?“, fragte sich die 56-jährige gelernte Buchhalterin und wagte den Schritt nach Deutschland. Zunächst wohnte sie bei ihrer Tochter und absolvierte Deutschkurse bis hin zu B2-Niveau. Ihr Ziel war, sich in der Nähe ihrer alternden Eltern eine Arbeit zu suchen, damit sie diese später pflegen kann. Der Job war ihr egal, Hauptsache unabhängig, auch wenn ihr Coach sie ermutigte, sich im kaufmännischen Bereich zu bewerben. Sie war an allem interessiert, Kunst, Kultur, Leben in Deutschland, hat selbständig Stellen recherchiert und die im Projekt erarbeiteten Bewerbungsunterlagen angepasst. Et voilà! Nach nur vier Monaten in BIFF hatte sie es geschafft. Drei Vorstellungsgespräche, zwei Probearbeitstage – ein Job! Noch nicht der Traumberuf, aber ein wichtiger Schritt in den Arbeitsmarkt! Das Team von BIFF Ingelheim ist sehr stolz auf sie!

Text und Bild Petra Nießen